03.09.2024 -

Einsatz für Menschen mit Seltenen Erkrankungen

Interview mit MdB Erich Irlstorfer

Der jüngste Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag fordert eine bessere Unterstützung für Betroffene und die Selbsthilfe sowie eine intensivere Erforschung und Versorgung bei Seltenen Erkrankungen. Nun ist die Parlamentspause vorbei. Zeit noch einmal anzuknüpfen und die Themen an die derzeitige Regierung erneut heranzutragen. 

Wir freuen uns sehr, dass sich die treibende Kraft hinter dem Antrag, Erich Irlstorfer von der CSU, Zeit für ein Interview mit uns genommen. Der Bundestagsabgeordnete macht sich seit Jahren für Menschen mit Seltenen Erkrankungen stark.

Bildnachweis: Büro Erich Irlstorfer, MdB

Herr Irlstorfer, was waren Ihre Beweggründe, Ihre Forderungen zu stellen?

Erich Irlstorfer: Richtungsweisend für das Einbringen des Antrages und der darin enthaltenen Forderungen beziehungsweise Verbesserungsvorschläge war vor allem die Kampagne „Seltene Erkrankungen Bayern“, die mein vergangenes Jahr prägte. Den Fokus bildeten über 60 Veranstaltungen in Präsenz und im virtuellen Raum zu verschiedenen Seltenen Erkrankungen in Zusammenarbeit mit dazugehörigen Betroffenen sowie Selbsthilfegruppen. Gemeinsam mit den über 2.000 Menschen, die wir erreichen konnten, habe ich im Rahmen dieser Sensibilisierungskampagne unter der Schirmherrschaft der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen viel gelernt. Im Gespräch mit den Menschen zu erfahren, dass es durchschnittlich fünf Jahre dauert bis eine Diagnose gestellt wird, es kaum Behandlungsmöglichkeiten gibt und sie häufig durch das soziale Sicherheitsnetz fallen, hat mir den hohen Handlungsbedarf aufgezeigt. 

In vielen Fällen sind die Selbsthilfegruppen der einzige Ort, wo die Betroffenen verstanden werden und sich so gegenseitig Halt geben können. Umso wichtiger ist es diese Infrastruktur nachhaltig zu stärken, sei es durch Entlastungen hinsichtlich bürokratischer Hürden oder finanzieller Unterstützung. Die Begrifflichkeit "selten" gibt keinen Aufschluss über das wahre Ausmaß der Problemlage. Jedes der über 4,5 Millionen Schicksale in Deutschland erzählt eine eigene, individuelle Geschichte. Die Vielfalt der Erkrankungen, von neurologischen und kardiologischen Manifestationen bis hin zu dermatologischen Ausprägungen, spiegelt eine immense Bandbreite gesundheitlicher Herausforderungen wider. Nur gemeinsam kann es uns gelingen den Betroffenen eine Perspektive zu geben. In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch für das bewundernswerte Engagement der ACHSE e.V. und vieler weiterer Akteure, mit welchen ich stetig in einem guten Austausch stehe, bedanken.

Wo sehen Sie gerade besonders dringenden Handlungsbedarf? 

Erich Irlstorfer: Wie im Antrag festgehalten, erachte ich einen Dreiklang aus Forschungsförderung, Stärkung der Zentrenstruktur und flächendeckender Sensibilisierung als am zielführendsten, um den Betroffenen schnell und umfassend zu helfen. Am drängendsten ist der Handlungsbedarf aus meiner Perspektive im Forschungsbereich. Für mich gilt: Forschen hilft heilen. Ein Grundsatz, der gleich einem Mantra in Zusammenhang mit Seltenen Erkrankungen stehen muss und die Bedeutung der medizinischen, pharmazeutischen und klinischen Forschung unterstreicht. 

In diesem Zusammenhang muss auch die besondere Bedeutung einer effektiven Nutzbarkeit von Patientendaten betont werden, die in Deutschland weiterhin ausbaufähig ist. Das Potenzial der aktuell über 170 Patientenregister, die meist als Insellösungen fungieren, muss entfesselt werden. Ein nationales Patientenregister wäre ein denkbarer Ansatz. Gleichzeitig denke ich, dass die bereits bestehenden Strukturen in Form der aktuell 38 Zentren für Seltene Erkrankungen weiter ausgebaut und deren Finanzierung verstetigt werden müssen. Die Zentren sind der erste Anlaufpunkt für die Betroffenen und ein essenzieller Ankerpunkt zur bei der Bewältigung der mit den Erkrankungen verbundenen Herausforderungen, sei es in Form von Diagnosestellungen oder etwaigen Therapien. 

Das alles kann jedoch nur Erfolg haben, wenn unsere Gesellschaft für Seltene Erkrankungen und die dahinterstehenden Schicksale sensibilisiert ist. Die Gruppe an Betroffenen muss wahrgenommen und ihre Stimme gehört werden. Daher sehe ich weiterhin dringendsten Handlungsbedarf in der Sensibilisierung der Zivilgesellschaft, der Politik, der Selbstverwaltung, der Forschung und der Medizin. Nur wenn mehr Licht in das leider immer noch zu dunkle Tal der Seltenen Erkrankungen scheint, kann das Bewusstsein für die Bedürfnisse gebildet und Lösungen umgesetzt werden. Aus diesem Grund plädiere ich für eine öffentlichkeitswirksame sowie flächendeckende Sensibilisierungskampagne, die in die genannten Bereiche hineinwirkt.

Was treibt Sie im Kampf für Verbesserungen an? 

Erich Irlstorfer: Mich treiben die Biografien und Schicksale der Menschen an, die täglich mit den Folgen und Auswirkungen seltener Erkrankungen konfrontiert sind. Dazu gehören einerseits die Betroffenen, von denen ein Großteil im Kindesalter ist und fast ein Drittel den fünften Geburtstag nicht erlebt. Andererseits die An- und Zugehörigen jener Menschen, die mit der Not ihrer Liebsten tagtäglich umgehen müssen. Trotzdem lassen sie sich nicht unterkriegen und beeindrucken mich im persönlichen Austausch immer wieder durch ihren Mut, ihre Zuversicht sowie Offenheit. Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: Es sind die Menschen wie Ben, ein 10 Jahre alter Junge, der an einer Erkrankung leidet, von der weltweit nur etwa 1000 Menschen betroffen sind, die mich jeden Tag motivieren. 

Obwohl Ben nur noch ein Sehvermögen von etwa zwei Prozent besitzt, möglicherweise auch sein Hörvermögen verlieren wird, das Sättigungsgefühl eingebüßt hat und grundsätzlich ein hohes Risiko besitzt, sehr früh an Herz-, Leber – oder Nierenversagen zu sterben, besitzt er eine unvergleichbare Lebensfreude. Gemeinsam mit seiner Familie hat er angefangen zu malen und sich für ein Alström-Kompetenzzentrum einzusetzen. Jene Lebensfreude und Schaffenskraft, die viele der Menschen mit Seltenen Erkrankungen ausstrahlen, haben mich seit der ersten Sekunde, bei der ich diese Menschen kennenlernen durfte, gepackt und ich werde alles für mich Mögliche tun, um ihnen das zu geben, was alle Menschen verdienen: Eine verlässliche Versorgung und Strukturen sozialer Sicherung.

Was denken Sie, können Sie mit Ihrer Partei tun, um Verbesserungen zu erwirken?

Erich Irlstorfer: Als Christlich-Soziale Union liegt der soziale Aspekt in der DNA unserer Partei und als Mandatsträger sehe ich es als meine Aufgabe diese sozialen Werte nach außen zu tragen. Das habe ich wie bereits erwähnt mittels der SEB-Kampagne versucht zu tun. Gemeinsam mit der CDU und vereint als CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag können wir die Erkenntnisse in der politischen Sphäre verbreiten und jene Rahmenbedingungen auf lokaler, landesbezogener und bundesweiter Ebene setzten, die Menschen spürbar unterstützt. Als Volkspartei haben wir den großen Vorteil ein Schmelztiegel verschiedenster Hintergründe zu sein, so auch hinsichtlich Seltener Erkrankungen. In Verbindung mit anderen demokratischen Parteien können wir ein wichtiges Signal an die Betroffenen senden: Ihr seid nicht allein und ihr werdet gesehen.

Wir danken für das Gespräch.

 

Wir begrüßen in unserer Stellungnahme vom 17. Juni 2024 den Antrag der CDU/CSU-Fraktion, der zentrale Maßnahmen zur Verbesserung der Diagnosestellung, Versorgung und Erforschung Seltener Erkrankungen fordert. Diese Maßnahmen sind entscheidend, um Betroffene und ihre Angehörigen stärker zu unterstützen.

Zur Stellungnahme

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Bianca Paslak-Leptien

Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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