Das Leben der Betroffenen von Seltenen Erkrankungen ist vom „zu wenig" geprägt: zu wenig und nicht verbreitetes Wissen und Informationen über die einzelnen Erkrankungen, zu wenige Expertinnen und Experten, die sich mit den Krankheiten und der Versorgung auskennen, zu wenige Forschungsaktivitäten mangels Ressourcen und Problembewusstsein, zu wenig wirksame Medikamente und geeignete Therapiemöglichkeiten, um das Leben mit der jeweiligen Erkrankung zu erleichtern. Dies erschwert und verlängert regelmäßig schon die Diagnosefindung, wirkt sich aber auch nachhaltig belastend auf den Versorgungsalltag der Patientinnen und Patienten nach der Diagnosestellung aus.
Damit sich dies für die Betroffenen ändert, braucht es mehr und gezieltere Nutzung und Verknüpfung bereits vorhandener Daten zu Seltenen Erkrankungen sowie die fortlaufende Generierung und Nutzung neuer Versorgungsdaten für Forschungszwecke. Natürlich unter der Prämisse einer strukturierten, abgestimmten, datenschutzkonformen und datensicheren Datenerhebung und -verarbeitung, die auch Anforderungen an Datenumfang und Datenqualität, Kompatibilität und Interoperabilität berücksichtigt. Die Bestrebungen des Bundesgesundheitsministeriums mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG), den Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten zu befördern und damit einen weiteren Beitrag für eine sichere, bessere und qualitätsgesicherte Versorgung zu leisten, begrüßen wir grundsätzlich.
Zu dem vorliegenden Entwurf, um dieses Vorhaben zu realisieren, haben wir vorerst nur folgende Anmerkungen:
• Für die Einrichtung einer Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten (Art. 1 Abs. 1) ist erforderlich, dass schon in die Entwicklung und den Aufbau einer solchen Institution sowie deren fortlaufenden Betrieb bereits etablierte Netzwerke von Datennutzern und Datenbereitstellern verbindlich eingebunden werden, und deren Expertise und Vorarbeiten Berücksichtigung finden. „Miteinander voneinander lernen" ist die Devise, um schlanke, effiziente Vorgehensweisen zu entwickeln und Ressourcen zu sparen. Dabei sollten insbesondere die Patientenorganisationen nicht vergessen werden!
• Die Einführung des Opt-Out-Verfahrens für die Datenfreigabe aus der ePA nach §287a SGB V Absatz 3 erfordert, dass Krankenkassen Patientinnen und Patienten vorab transparent, barrierearm und verständlich über die Hintergründe und den Zweck der Datennutzung zu Forschungszwecken analog und digital informieren.
• Der unter Artikel 3 Nummer 3 neu gefasste §278a billigt den Krankenkassen neue Rechte zur Datenauswertung zu individuellem Gesundheitsschutz ihrer Versicherten zu. Hiermit werden den Krankenkassen Möglichkeiten eingeräumt, die individuelle Gesundheitsversorgung ihres Patienten zu überprüfen und damit den Leistungsbereich der Ärztinnen und Ärzte zu betreten. Eine solche weitgehende Befugnis sollten die Krankenkassen höchstens dann erhalten, wenn ihre Versicherten dies für sich ausdrücklich wünschen. Wir fordern die Streichung des Artikel 4. Abs. 2.
• Die in Artikel 3 Nummer 3 §287a Absatz 4 (4) vorgesehene Kontaktaufnahme zu und Unterrichtung von Versicherten über eine konkrete Gesundheitsgefährdung durch die Krankenkasse lehnen wir nachdrücklich ab. Hier wird in gefährlicher Weise in bestehende Versorgungsprozesse eingegriffen, in einer Weise, die die Versicherten verunsichern und die Arzt-Patienten-Beziehung unterminieren kann. Nur eine Unterrichtung des behandelnden Arztes käme eventuell in Betracht. Wir fordern die Streichung des Absatz 4.
• Wir vermissen im GDNG die Einbettung der Novellierung des Modellvorhaben §64e SGBV. Der dafür zugrunde liegende Änderungsantrag wurde von den Expertinnen und Experten in genomDE formuliert, fand aber am 30.06.2023 in dem im Bundestag beschlossenen Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzt (ALBVVG) keine Berücksichtigung. Insbesondere für die Patientinnen und Patienten mit Seltenen Erkrankungen sieht die Novellierung eine erforderliche Verknüpfung von Versorgungs- und Registerdaten vor, wie sie im bisherigen §64e SGBV und auch im GDNG nicht berücksichtigt, aber für die Versorgung der Betroffenen hochrelevant ist. Die Novellierung wird zeitnah benötigt, damit das Modellvorhaben fristgerecht am 01.01.2024 starten kann.
1Die ACHSE setzt sich als Dachverband von mehr als 130 Selbsthilfeorganisationen für die Belange von den geschätzten 4 Millionen Menschen, die in Deutschland mit einer Seltenen Erkrankung leben, ein. Sie gibt den Seltenen eine Stimme! Siehe: www.achse-online.de
Mirjam Mann, LL.M.
Geschäftsführerin
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