Mit der Verabschiedung der einheitlichen „Zentren-Regelung“ durch den G-BA Ende 2019 wurden spezifische Aufgaben und Qualitätskriterien für Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSE) definiert und Finanzierungsmöglichkeiten festgelegt. Menschen mit Verdacht auf eine Seltene Erkrankung in Deutschland können sich nunmehr an eines der heute 36 Zentren für Seltene Erkrankungen wenden. Diese Entwicklung haben wir u.a. auf der NAKSE 2021 näher beleuchtet und dabei nicht nur die Arbeitsweise der A- und B-Zentren diskutiert, sondern auch die Deutschen Referenznetzwerke (DRN) kennengelernt, die sich 2021 in Anlehnung an die Europäischen Referenznetzwerke (ERN) in Deutschland gebildet haben. Die DRNs sind demzufolge in verschiedene Erkrankungsgruppen gegliedert, in denen Expertinnen und Experten sowie Selbsthilfeorganisationen zusammenarbeiten.
Diese nationale Vernetzungsstruktur weiter auszugestalten, Konsens für den Aufbau der DRN-Strukturen und -Aktivitäten zu schaffen, war Ziel des Vertiefungsworkshops. Rund 150 Expertinnen und Experten, die in den DRNs und ZSE mitwirken, sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Patientenorganisationen der ACHSE, den politischen Behörden und der pharmazeutischen Industrie wurden eingeladen mitzuarbeiten.
1. Was leisten die DRNs für Patienten und Familien, die mit einer Seltenen Erkrankung leben?
2. Welche Anforderungen an die Art der Zusammenarbeit in den DRNs haben wir?
- Die strukturelle Einbindung der Patientenorganisationen in die DRNs ist eine Achillesferse, da die zumeist ehrenamtlichen Kräfte der Selbsthilfe bereits stark eingebunden und deren Kapazitäten für zusätzliche Aktivitäten eingeschränkt sind. Dennoch ist der Mehrwert dieser Einbindung von zentraler Bedeutung, sei es bei der Entwicklung von Informationsmaterialien, der Beratung neu diagnostizierter Patientinnen und Patienten und der Entwicklung von Versorgungsstandards. Darüber hinaus benötigten Patientinnen und Patienten Unterstützung beim Zugang zu Versorgungsleistungen, Versorgungspfade von den „Niederlassungen“ (Primärversorgenden) zu den ZSE und DRN müssten überhaupt erst organisiert und implementiert werden und es müssten zentrale Anlaufstellen für Patientinnen und Patienten sowie weitere Interessengruppen bereitgestellt werden.
Ein Lösungsansatz? Der Zugang zu den DRNs sollte über den se-atlas, die ZSE A-Zentren und auch vermittelt über Primärversorgende stattfinden. Dabei kann eine verpflichtende Teilnahme der B-Zentren an den DRNs den Zugang aller relevanten Patientinnen und Patienten sichern.
Die Diskutierenden waren sich einig, dass eine schlanke den DRN übergeordnete Leitungsstruktur aufgebaut, DRN themenübergreifende Arbeitsgruppen etabliert, spezifische Aktivitätsprofile in Abgrenzung zu den ERNs entwickelt und Fallbesprechungen organisiert werden sollten.
Für die Teilnehmenden des Vertiefungsworkshops war wichtig, dass die benötigte Expertise aus den B-Zentren, aus durch Patientenorganisationen bestätigte Zentren, aus ERN-Zentren und weitere Versorgungseinrichtungen mit Expertise herrühren sollte. Zu den goldenen Regeln der Zusammenarbeit wurden Prinzipien wie Transparenz, Teamfähigkeit, aktive Mitarbeit und gute Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe erhoben.
Im Anschluss an den NAKSE Vertiefungsworkshop bildete sich eine Gruppe der Koordinatoren der DRNs. Es wurde ein Leitungsgremium gewählt, das die Zusammenarbeit mit der „Joint Action für die Integration der ERNs in die nationalen Gesundheitssysteme (JARDIN)“*aus der DRN-Perspektive gestalten wird. Parallel dazu koordiniert die ACHSE eine Arbeitsgruppe der Patientenorganisationen, um die systematische und strukturelle Einbindung der Selbsthilfe in die DRNs zu organisieren und zu unterstützen. Gemeinsam können wir viel bewegen.
*Beginn dieser Maßnahme, an der alle EU-Staaten beteiligt sind und die die Integration der ERN in die Nationalen Gesundheitsstrukturen zum Ziel hat, beginnt 2024. Die ACHSE ist ebenfalls beteiligt.