Erste Heilversuche zeigen: ein bereits anderweitig zugelassenes Medikament könnte auch Epilepsiepatienten mit spezifischen Genmutationen helfen: Eva Luise Köhler zeichnete am 20. Februar 2018 in der Alten Aula der Universität Heidelberg ein Team von Neurowissenschaftlern und Ärzten rund um die Biologin Dr. Ulrike Hedrich-Klimosch vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung in Tübingen mit dem diesjährigen Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen aus. Das Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro soll als Anschubfinanzierung für die Entwicklung einer neuartigen Arzneitherapie dienen. Mit dieser stünde für Patientinnen und Patienten mit Mutationen im KCNA2-Gen, die unter einer besonders schwerwiegenden und bisher medikamentenresistenten Form der Epilepsie leiden, erstmals ein wirksames Medikament zur Verfügung. Der Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen wird in Zusammenarbeit mit der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e. V. zum elften Mal vergeben, zum ersten Mal mit dem Universitätsklinikum Heidelberg als Gastgeber.
Der neuartige Therapieansatz der Tübinger Arbeitsgruppe wurde letztes Jahr erstmals im Rahmen individueller Heilversuche getestet: Bei einer Gruppe von vier Patientinnen und Patienten weltweit konnte durch die Gabe des Wirkstoffs „4-Aminopyridin" die Anfallshäufigkeit drastisch reduziert werden. Ebenso verbesserte sich die kognitive, sprachliche und motorische Leistungsfähigkeit der Patientinnen und Patienten. Der Kaliumkanalblocker ist in Deutschland seit 2011 zugelassen – allerdings nur für die Behandlung von Patienten mit weit fortgeschrittener Multipler Sklerose. Im Rahmen der von der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung finanzierten Studie will die Tübinger Forschungsgruppe nun die Daten sammeln, die notwendig sind, um die Therapie schnellstmöglich auch für andere Epilepsiepatientinnen und -patienten mit solchen Genmutationen verfügbar zu machen.
Prominenz beim Festakt in der Alten Aula der Universität Heidelberg
Eva Luise Köhler kommentierte im Rahmen des Festaktes: „Wir freuen uns, dass mit Dr. Ulrike Hedrich-Klimosch und ihren Co-Bewerbern eine Riege von Nachwuchswissenschaftlern den Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen erhält, die sich durch ihre besondere Nähe zu ihren Patientinnen und Patienten auszeichnet. Sie tragen Hoffnung in das Leben vieler Menschen, die mit einer besonders schweren und bisher nicht behandelbaren Form der Epilepsie leben."
Dr. Jörg Richstein, Vorstandsvorsitzender der ACHSE und Vater eines Sohnes mit dem seltenen Gendefekt „Fragiles-X": „Jeder Forschungsansatz zu einer Seltenen Erkrankung, der in einer Therapie mündet, bedeutet für die betroffenen Menschen ein Geschenk, das ihr Leben entscheidend verändert. Für ihre Arbeit und ihren Einsatz für Menschen mit seltenen Mutationen des KCNA2 Gens danken wir Dr. Ulrike Hedrich-Klimosch und ihrem Team und wünschen uns sehr, dass ihr Engagement und ihr Forschergeist viele Nachahmer findet."
Prof. Annette Grüters-Kieslich, Vorstandsvorsitzende der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen und Leitende Ärztliche Direktorin des Universitätsklinikums Heidelberg, wies in ihrer Laudatio auf die Vorteile des Drug Repurposings hin, bei dem man von bereits vorhandenem Wissen über das zweitverwertete Medikament profitiere: „So kann auch eine in Pharmamaßstäben sehr überschaubare Summe, wie unser Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro, in den Händen der richtigen Forscherinnen und Forscher ganz viel bewegen und wir dürfen hoffen, dass schon innerhalb von drei oder vier Jahren eine wirksame Therapie zur Verfügung stehen wird, die die Lebensqualität vieler Menschen weltweit ganz spürbar verbessern wird."
Die Epilepsie ist eine der am weitesten verbreiteten chronischen Erkrankungen des Kindesalters und stellt für die Betroffenen eine enorme Beeinträchtigung des täglichen Lebens dar. Obwohl in den letzten Jahren immer mehr seltene Gendefekte als Ursache für Epilepsiesyndrome entdeckt wurden, sind die genauen Mechanismen häufig noch nicht bekannt. Zu den besonders schweren Epilepsien zählen medikamentenresistente epileptische Enzephalopathien (EE), die z.B. durch Mutationen im KCNA2 Gen verursacht werden können. Unterschiedliche Veränderungen in diesem Gen führen bei den Betroffenen zu generalisierten epileptischen Anfällen, die bereits im ersten Lebensjahr auftreten. Ihre geistige Entwicklung verläuft in der Regel massiv verzögert.
Weitere Informationen zur prämierten Forschungsarbeit und den Preisträgern
“Menschen mit einer chronischen seltenen Erkrankung haben eine besonders schwere Lebenssituation zu meistern. Für die Arbeit der ACHSE bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.”
Eva Luise Köhler, Schirmherrin der ACHSE