Die bundesweit größte Sprechstunde für erbliche Netzhauterkrankungen bietet seit 1989 eine patientenfreundliche und interdisziplinäre ambulante Versorgung. Der Preis wurde am 14. Juni 2012 in Berlin verliehen. Er ist mit 5.000 Euro dotiert und wird vom Generali Zukunftsfonds unterstützt.
„Die Ärzte der Sprechstunde in Tübingen wissen, wie sich Netzhauterkrankungen auf Alltag und Beruf auswirken, weil sie den Vergleich und die Erfahrung haben. Sie beraten umfassend, erläutern den Patienten und ihren Angehörigen ausführlich die Ergebnisse und unterstützen bei der Vermittlung möglicher Hilfen und Maßnahmen. Dabei nehmen sie sich für jeden Einzelnen sehr viel Zeit“, weiß der Softwareentwickler Andreas Kaiser. Er ist einer von zirka 20.000 Menschen mit einer erblichen Netzhautdegeneration in Deutschland.
Hochwertige Versorgung gemeinsam mit der Selbsthilfe
Die Sprechstunde für erbliche Netzhautdegeneration ist die einzige Sprechstunde in Deutschland, in der auf dem Gebiet der erblichen Netzhauterkrankungen speziell ausgebildete Fachärzte ausschließlich diese Patientengruppe betreuen. Das Team der Sprechstunde arbeitet mit nationalen und internationalen Forschungslaboren, Patientenselbsthilfeorganisationen sowie dem Zentrum für Seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Tübingen zusammen. Der medizinischen Sprechstunde angegliedert ist die Patienten-Sprechstunde der Selbsthilfeorganisation PRO RETINA – eine Beratung von Betroffenen erblicher Netzhauterkrankungen für Patienten und ihre Familien. Neben der intensiven Betreuung der Patienten ist es das Ziel der Sprechstunde für erbliche Netzhautdegeneration, klinisch, diagnostisch und wissenschaftlich Erfahrung zu sammeln und Wissen zu mehren. Langfristig sollen damit Therapiemöglichkeiten gefördert werden.
„Die Sprechstunde wurde ausgezeichnet, weil das Projekt in vorbildlicher Weise eine hochwertige medizinische und psychosoziale Versorgung mit einem Beratungsangebot aus der Selbsthilfe kombiniert“, sagt Juryleiter Dr. Arpad von Moers. „Außerdem hat uns beeindruckt, dass sich die organisatorischen Abläufe – wo möglich – an den Bedürfnissen der Patienten ausrichten und über die Jahre bereits entsprechende Anpassungen vorgenommen wurden“, führt der Chefarzt der Kinder- und Jugendklinik der DRK Kliniken Westend in Berlin und Experte für Seltene Erkrankungen weiter aus.
„Und dann kommt der nächste Schub“
Als Andreas Kaiser drei Jahre alt ist, bemerken seine Eltern, dass etwas nicht stimmt. Ein Jahr und mehrere Arztbesuche später erkennt ein niedergelassener Augenarzt die Symptome: 30 Prozent Sehstärke, ein reduziertes Gesichtsfeld und Nachtblindheit. Erst mit 13 Jahren erhält Andreas Kaiser jedoch die konkrete Diagnose und erfährt, dass er eine Seltene Erkrankung hat: Retinitis Pigmentosa – ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Netzhauterkrankungen mit sehr unterschiedlichen Verläufen und Symptomen. „Die größte Schwierigkeit bei der Erkrankung ist, dass sie fortschreitend ist: Man hat sich gerade mit seiner Situation arrangiert und dann kommt der nächste Schub. Man benötigt wieder neue Hilfsmittel und muss neue Herausforderungen bewältigen“, erzählt Kaiser. Deshalb war er lange Zeit regelmäßig in der Sprechstunde für erbliche Netzhautdegenerationen. Heute sieht der 46-Jährige nur noch hell/dunkel und ist vollständig auf Blindentechnik umgestiegen.
Von Hilfsmittelberatung bis zu interaktiven Fortbildungsformaten
Insgesamt wurden beim diesjährigen ACHSE ▪ Central Versorgungspreis für chronische seltene Erkrankungen 23 Projekte von Selbsthilfegruppen, Kliniken und Unternehmen eingereicht. Das Spektrum reichte von der lebensnahen Hilfsmittelberatung über Versorgungskonzepte, die sich explizit an den Bedürfnissen der Patienten orientieren, bis hin zu interaktiven ärztlichen Fortbildungsformaten. Ziel der Auszeichnung ist die Förderung und Multiplikation innovativer Projekte, die sich für eine bessere Versorgung von Menschen mit chronischen seltenen Erkrankungen einsetzen.
Feierliche Preisverleihung in Berlin
Der ACHSE ▪ Central Versorgungspreis für chronische seltene Erkrankungen 2012 wurde am 14. Juni 2012 bei Springer Medizin in Berlin in Anwesenheit des Schirmherren Wolfgang Zöller (MdB), Patientenbeauftragter der Bundesregierung, vergeben. Durch die Veranstaltung führte NDR-Moderatorin und Medizinjournalistin Vera Cordes. Die Laudatio für den Preisträger hielt in diesem Jahr die Krimischriftstellerin Edda Minck, die selbst von einer Seltenen Erkrankung betroffen ist.
Weitere Informationen finden Sie unter www.central.de/versorgungspreis