12 Jahre Erfahrung mit Gutachtern - und fast nur schlechte

Mittlerweile dürfte es insgesamt etwa 12 Jahre sein, in denen ich Erfahrungen mit Gutachtern sammeln durfte. Die meisten waren überfordert, hatten Fragezeichen auf der Stirn oder relativierten meine Erkrankungen.

Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) seien ja lediglich gutartige Polypen oder Darmkrebs, aber mehr? Niemals. Da ich früher recht fit war, hatten fehlerhafte Gutachten für mich keine direkte Relevanz. Doch seit gut zwei Jahren ist das anders. Durch die Summe meiner Erkrankungen bin ich schwerbehindert, pflegebedürftig und kämpfe um eine Erwerbsminderungsrente.

Fehlentscheidungen durch den Medizinischen Dienst, die Rentenversicherung und das Arbeitsamt

Die Kämpfe dauern zwischen acht Monaten und mehreren Jahren, je nach Anliegen bei einer Behörde. So habe ich acht Monate außergerichtlich mit dem Arbeitsamt gekämpft und kämpfe seit bald zwei Jahren mit der Rentenversicherung. Diese Auseinandersetzungen muss ich oft aus Kliniken heraus

bewältigen. Während meiner achtmonatigen Auseinandersetzung mit dem Arbeitsamt war ich fünf Monate vollstationär in Kliniken. Für das Arbeitsamt war ich in dieser Zeit jedoch nahezu uneingeschränkt arbeitsfähig. Wie soll das während Krankenhausbehandlungen funktionieren?

Die Belastung durch Behörden, fehlende Unterstützung und finanzielle Hürden

Viele Kämpfe, wie etwa um dringend benötigte Hilfsmittel, kann ich nicht führen, weil mir gesundheitliche und finanzielle Ressourcen fehlen. Der Staat ist nicht darauf ausgelegt, armen und kranken Menschen zu helfen. Wer finanzielle Mittel hat, kann sich einen Anwalt nehmen und Aufgaben abgeben. Wer diese Mittel nicht hat, muss den Weg über das Amtsgericht gehen – welches in der Vergangenheit meine Unterlagen verschlampt hat – und hoffen, einen Platz bei einem guten Anwalt zu bekommen.

Die Belastung ist enorm: ein aufwendiger Antrag, die Suche nach einem Anwalt, das ständige Nachhaken beim Gericht und unzählige Telefonate, um endlich eine Rückmeldung zu erhalten. Das Rechtssystem ist schlicht nicht darauf ausgelegt, armen, behinderten und/oder kranken Menschen den Rücken zu stärken – weder in der Gesetzgebung noch in der Umsetzung durch diverse Behörden.

Ein System, das nicht funktioniert

Es gibt im deutschen Recht eine Normenhierarchie. Grob gesagt bedeutet das: Große und wichtige Gesetze sind allen kleineren, spezifischen Gesetzen übergeordnet und müssen befolgt werden. So hat unser Grundgesetz höchste Priorität, und das SGB V (Krankenkassen) müsste sich daranhalten. Tatsächlich gibt es im SGB V sogar einen speziellen Paragraphen für die Versorgung chronisch kranker Menschen. Doch in der Umsetzung steht für die gesetzlichen Krankenkassen die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund, sodass Kosten gedrückt werden.
Wie sage ich so schön? Deutschland, der "Sozial- und Rechtsstaat" – Betonung auf die Anführungszeichen.

Die Konsequenzen: Ein Leben, das nur noch aus Kämpfen besteht

Das Ergebnis: Ein Gesundheitszustand, der sich immer weiter verschlechtert. Ein Mensch, dessen Lebensqualität nur noch minimal vorhanden ist. Ein Leben, das nur noch aus Rechtsstreitigkeiten besteht. Aus einem Leben wird nur noch ein Überleben! Die Veränderung im Gesundheits- und Sozialsystem ist längst überfällig. Menschenrechte und Verfassung müssen beachtet werden. Das Individuum muss gesehen werden, und kein Mensch darf durch unser System und die Missachtung von Rechten krank gemacht werden.

Was muss sich ändern?

Es braucht Gutachter, die die notwendige Fachkompetenz mitbringen. Beispielsweise sollte kein Orthopäde über psychische Erkrankungen und damit einhergehende Bedarfe entscheiden dürfen. Zudem benötigt es ein niedrigschwelligeres Rechtssystem, damit jeder dieselbe Chance auf sein Recht bekommt – unabhängig davon, ob es um einen Pflegegrad, Hilfsmittel, Erwerbsminderungsrente oder andere Bedarfe geht. Jedem Menschen muss die Möglichkeit gegeben werden, nicht nur zu überleben, sondern zu leben. Niemand sollte in der Ungerechtigkeit Deutschlands ertrinken müssen!

Ein „MyCaseManager“ auf Rezept als Lösung

Ein zentraler Schritt, um die bestehende Belastung zu verringern, wäre die Einführung eines – wie von ACHSE e. V. geforderten - "Case Managers auf Rezept". Menschen mit chronischen und seltenen Erkrankungen brauchen Unterstützung, um sich im komplexen Gesundheits- und Sozialsystem zurechtzufinden. Ein MyCaseManager könnte eine enorme Entlastung bedeuten, indem er die Organisation von Heil- und Hilfsmitteln, Pflege, Reha und sozialer Unterstützung übernimmt. Diese Person müsste unabhängig agieren und ausschließlich im Interesse der Patientinnen und Patienten handeln.

Bürokratische Hürden, wie die ständige Kommunikation mit Behörden, das Einreichen von Anträgen und das Nachhaken bei ausstehenden Entscheidungen, könnten durch eine solche Unterstützung erheblich reduziert werden. Gerade für Menschen wie mich, die bereits mit der Bewältigung ihrer Erkrankungen an ihre Grenzen stoßen, wäre ein MyCaseManager eine dringend benötigte Hilfe, um endlich wieder Kraft für das eigentliche Leben zu haben – und nicht nur für den Überlebenskampf.

Patientenverband FAP e. V.

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