Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit, Verständnis und Unterstützung

Wir sind Maja (9) und Volker (44) Winner. Wir kommen aus der Nähe von Oldenburg. Maja hat Epidermolysis bullosa junctionalis non Herlitz (EB). Das ist eine seltene Hauterkrankung, bei der durch kleinste Stöße und Reibung Wunden oder Blasen entstehen können. Bei Majas Form ist die mittlere Hautschicht betroffen. Es entstehen also schnell Wunden, Narben bleiben aber zum Glück eher selten.

Ein Einblick in Majas Leben

Ich gehe in die vierte Klasse einer Grundschule und habe als Unterstützung eine Integrationshelferin, die mir bei bestimmten Situationen behilflich ist. Den Zustand meiner Wunden finde ich aktuell gut – soweit man das sagen kann. Mama findet immer wieder neue Wunden, aber der Verbandswechsel ist so nervig, dass ich manchmal gerne ein Auge zudrücke. Laufen kann ich momentan nicht so gut.

Das liegt daran, dass gerade im Herbst und Winter die dicken, schweren Winterschuhe ein großes Problem für mich darstellen – man kann ja schließlich nicht überall mit den schön weiten Stiefeln hin.

Die Corona-Zeit war und ist auch für mich mit EB nicht so einfach. Ich habe aber teilweise das Gefühl, dass ich damit besser klarkomme, als so manch andere Kinder. Auch vor Corona musste ich bereits auf Dinge verzichten, weil meine Wunden es nicht zugelassen haben. Während andere Kinder auf im Garten fangen spielen oder auf Klettergerüste klettern, muss ich mir ein blasenfreundlicheres Alternativprogramm überlegen. Das ist doof, aber ändern lässt es sich nun einmal nicht. Ich denke mir dann immer – gerade geht es nicht, aber irgendwann werde ich es nachholen. Mit dem Laufen ist es gerade genauso.

Jetzt ist bald erst einmal Weihnachten, darauf freue ich mich schon. Letztes Jahr hatte ich mir Kopfhörer, ein Handy, ein Spiel (Pictionary Air), ein Rätselspiel von den drei!!! und ein Schlagzeug gewünscht. Letzteres hielten meine Eltern komischerweise für keine so gute Idee. Am Ende habe ich eine Nintendo Switch zu Weihnachten bekommen. Die Spielekonsole ist sehr cool und hilft mir, bei den Verbandswechseln auf andere Gedanken zu kommen. Das war ein tolles Weihnachtsfest.

Und nun zur väterlichen Perspektive

Als Maja zur Welt kam, war es für uns alle anfangs ein Schock. Keiner konnte uns etwas Genaues sagen – es gab nur Vermutungen. Nach acht langen Wochen wussten wir, dass es EB ist und auch, um welche Form es sich handelt. Wir alle haben uns der Aufgabe angenommen und nicht den Kopf in den Sand gesteckt. Es macht uns glücklich zu sehen, dass Maja zu einem selbstbewussten Mädchen heranwächst, das wir nicht missen wollen. Und hätte uns damals jemand erzählt, was sie heute alles machen würde – wir hätten ihn für verrückt erklärt.

Natürlich gibt es Dinge, wie Sport etc., die Maja nicht machen kann. Wir sind aber immer offen, alles auszuprobieren. Besser sie versucht es jetzt unter Aufsicht, als irgendwann heimlich alleine mit anschließenden Verletzungen. Diesen Freiraum gibt es natürlich nicht für umsonst. Die daraus entstehenden Blasen nennen wir dann „Spaßblasen" – ob es diese Sache dann jeweils wert ist, entscheidet Maja für sich selbst. Manchmal, wenn sie allzu motivierte Pläne schmiedet, müssen wir sie allerdings doch bremsen. Das akzeptiert sie dann meistens auch.

Gerade jetzt in Zeiten von Corona wird man oft nachdenklich. Ich ertappe mich immer wieder bei dem Gedanken: Wäre für EB in dieser Zeit genauso intensiv und breit geforscht worden wie bei Corona, dann wären wir sehr weit gekommen. Zum Glück ist EB keine Pandemie und auch nicht ansteckend.

Ich habe immer wieder das Gefühl und die Angst, dass dieser Virus uns ausbremst und viele Ressourcen nun erst einmal auf Eis gelegt werden. Dass dieses Gefühl täuschen kann, zeigt eine neue Studie, auf die ich aufmerksam gemacht wurde. Sie kommt für uns leider nicht in Frage, da hier der Forschungsfokus auf einem anderen Gen liegt – es macht aber Hoffnung, dass es weitergeht. Diese Hoffnung geben wir nie auf.

Im vergangenen Corona-Jahr war die Gesellschaft dazu verpflichtet Abstand zu halten, auf die Hygiene zu achten und Kontakte so gering wie möglich zu halten. Für viele EB-Betroffene ist das nichts Neues. Vor allem EB-Betroffene mit einer schweren Form von EB, die auch ein erhöhtes Risiko haben, Hautkrebs, Herzinsuffizienz oder Atembeschwerden zu entwickeln gehören zur sogenannten Risikogruppe und müssen besonders auf sich aufpassen.. Was machen EB-Betroffene also ohne Corona? Richtig – Abstand und Hygiene. Masken gehören natürlich nicht unbedingt zum Alltag – der Rest ist aber eine nur allzu bekannte Lebensrealität.

Es ist wichtig, dass die Menschen dieses Gefühl, diese Erfahrung der Isolierung in Erinnerung behalten. Betroffene von Seltenen Erkrankungen müssen diese Regeln häufig ein Leben lang einhalten. Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit, Verständnis und Unterstützung.

In dem Sinne – passt weiterhin auf Euch auf und bleibt gesund. Vielleicht freut sich der ein oder andere auch mal über einen Anruf. Oder man schreibt ganz altmodisch wieder Briefe. Viele haben jetzt ja etwas Zeit – es kann nur besser werden.

Interessengemeinschaft Epidermolysis Bullosa e. V.

Die „IEB" wurde 1985 von einer Ärztin, Betroffenen und von einigen Eltern betroffener Kinder gegründet. Heute ist die Interessengemeinschaft Ansprechpartner für ca. 300 Mitglieder, für medizinisches Personal, Krankenkassen und Ärzte.

Das bezeichnende Merkmal bei EB ist, dass die Hautschichten durch geringfügigste, mechanische Berührung Blasen bilden, die mit Blut oder einer klaren Flüssigkeit gefüllt sind. Eine konkrete Heilung der Krankheit ist derzeit nicht möglich. Es besteht nur die Möglichkeit, die Auswirkungen zu lindern, d.h., Wunden zu versorgen und Schmerzen ggf. mit Medikamenten zu behandeln.

Mehr Informationen, Ansprechpartner und Hilfe finden Sie hier:

www.ieb-debra.de

 

 

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blaue, pinke, grüne und gelbe Umrisse von Beinen und Füßen, die in die Luft springen.